Vorsicht, Satire!

Beobachtungen aus dem deutsch-türksichen Alltag in neuen "heimtürkischen" Geschichten aus der spitzen Feder des Bremer Satirikers Osman Engin, dem kein Geringerer als Robert Gernhardt den Ritterschlag gab:
"Lest ihn und versucht es besser zu machen!
Wenn ihr könnt!"

Dtv (Mai 2005)

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Die EU will das so!

Mein lieber Onkel Ömer,
wie geht es dir und wie geht es Tante Ülkü?
Wie geht’s der schwarz-gepunkteten Ziege Fatima, wie geht’s dem hübschen Esel Pembe, und wie geht’s unserem guten, alten Dorfvorsteher Hüsnü?
Lieber Onkel Ömer, diesen Brief schreib ich dir, weil jetzt die ganze EU auf euch schaut. Bitte seid vorsichtig und versucht euch keine Blöße zu geben. Ihr müsst für kurze Zeit die Zähne zusammen beißen.
Als erstes musst du, lieber Onkel Ömer, aufhören im Dorf damit zu prahlen, dass du jeden Monat zwei Schafherden über die persische Grenze schmuggelst. Vor allem dann nicht, wenn europäisch gekleidete Männer im Dorf rumlaufen. Das könnten doch EU-Kommissare sein! Die EU will keine gemeinsame Grenze mit dem Iran oder Syrien! Du solltest den Kommissaren lieber erzählen, dass du von unseren australischen Nachbarn Känguruherden und von unseren japanischen Nachbarn Sushiherden rüberschmuggelst.
Außerdem dürft Ihr ins Fußballstadion ab sofort keine Pistolen oder Dönermesser mehr mitnehmen. Und nach dem Sieg sollt Ihr beim Feiern auf den Straßen nicht mehr wahllos durch die Gegend ballern und unschuldige Menschen erschießen. Ich weiß, Fußball ist Männersache, und ich möchte euch wirklich nicht den Spaß am Fußball verderben, aber die EU will das so!
Dann müsst Ihr die ganzen streunenden Köter im Dorf einfangen. Füttert sie mit Konservenfleisch und lasst sie in eurer Wohnung schlafen. Ihr müsst sie mit Shampoo waschen und morgens und abends spazieren führen. Frag mich bloß nicht warum, ich weiß es doch selber nicht! Aber die EU will das so!
Und versucht bitte, an den Ampeln bei Rot zu halten, und nur bei Grün zu fahren. Ich weiß, das ist albern und könnte gefährlich werden, aber versucht es wenigstens im Sommer, wenn die europäischen Touristen da sind.
Ihr müsst sogar den Schwulen Rifki, den ihr vor fünf Jahren vertrieben habt, wieder aus dem Wald holen und ihn ins Dorf rein lassen. Bitte frag mich nicht warum; die EU will das so!
Und noch was. Meine Tante Ülkü darf nicht mehr mit ihrer Pyjamahose und dem Kopftuch im Fluss Baden gehen. Ich schicke euch bei der nächsten Gelegenheit einen weißen Bikini, den sie anziehen soll. Am besten oben ohne.
Die EU will das so!
Ihr müsst jetzt eben die Zähne zusammenbeißen.
Dein Neffe
Osman Engin

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Mein Kampfhund Tina

Nachdem ich Oma Fischkopfs süßen Dackel Tina letztens lieb gewonnen habe, führe ich sie heute gerne Gassi.
Es war mir schon lange klar, dass mir zu meinem neuen Pass ein solcher Köter dringend gefehlt hat, um mein Erscheinungsbild als Neu-Deutscher richtig abzurunden. Da ich aber im Umgang mit diesen bellenden Kackmaschinen noch keine Ahnung habe, orientiere ich mich an andere Hundebesitzer.
„Sitz! Sitz! Sitz habe ich gesagt! Sitz Rambo“, brüllt ein Mann im Jogginganzug seinen Schäferhund an.
„Sitz! Sitz! Sitz habe ich gesagt Tina“, wiederhole ich seine Kommandos.
„Sitz Rambo! Papa hat gesagt, du sollst Sitz machen!“ brüllt der Mann weiter, ganz rot im Gesicht.
Das mit dem Papa lasse ich bei Tina lieber weg. Schließlich habe ich doch Mehmet, den Hundesohn, der reicht mir als Promenadenmischung. Und Mehmet gehorcht mir genauso wenig, wie dieser Rambo seinem Vater.
„Bist du taub, du blödes Vieh? Was haben wir beide Zuhause besprochen, he? Wenn dein Vater sagt, mach Sitz, dann machst du Sitz, ist das klar?“ brüllt der nette Mensch und tritt den Hund in den Hintern.
„Entschuldigen Sie bitte, aber sind Sie sich sicher, dass Sie wirklich der Vater dieses Hundes sind?“ mische ich mich in den Familienstreit ein.
„Halte dich da raus, du Penner, und misch dich nicht in Angelegenheiten von fremden Leuten ein!“ schimpft er.
„Sie meinen, in die Angelegenheiten fremder Hunde“, korrigiere ich ihn.
Dann schnappt der Tierliebhaber sich einen kleinen Ast von der Straße und wirft ihn weit weg.
„Los, Rambo, hol das Stöckchen!“
Das ist der zweite Trick der tollen Hundebesitzer, neben der `Sitz-Nummer´, um der Umwelt zu beweisen, was für unglaublich große Macht sie über ihre Hunde haben. „Los, hol das Stöckchen, habe ich gesagt, du blöder Hund! Du sollst aufstehen! Erst setzt er sich nicht hin, und jetzt steht er nicht auf.“
Aber der Schäferhund rührt nicht mal nur eine Pfote für das vergammelte Holzstück.
„Ja, so ist die Jugend von heute. Keinen Respekt mehr vor den Eltern“, tröste ich den vor allen Leuten blamierten Hundepapa.
Er verpasst dem armen Rambo mehrere Fußtritte und zerrt ihn beschämt vom Ort des Geschehens weg.
So was muss ich mit Tina nicht machen. Ich nehme den süßen Dackel auf den Arm und trage ihn stolz nach Hause.

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