Viele haben schon auf sie gewartet, hier sind sie: die neuen “Geschichten zum Lachen” des in Bremen lebenden Satirikers Osman Engin.

“Mit herzhafter Bosheit macht sich Engin über rassistisches Verhalten, kleinbürgerliche Dumpfheit und bornierte Klischees seitens der Deutschen und Doppelmoral auf seiten türkischer Landsleute lustig. Mit der konkreten Erfahrung von Schwachstellen in beiden Kulturen geht Engin offensiv und ziemlich schonungslos um.” Mittelbayerische Zeitung.

Leseprobe
















Ausverkauft.












Drei Osis und 17 Skins

Ich fahre Nachts zum Hauptbahnhof um eine Zeitung mit Horoskop zu kaufen. Ich habe nämlich einen großen Wunsch, und ich will wissen, ob der in Erfüllung geht.
Die Bahnhofshalle ist ziemlich leer. Ein Junge mit einer seltsamen Frisur hinter mir ruft:
„Türkensau.“
„Nun gut, dass ich eine Sau bin, war ja nicht schwer zu erraten. Aber wie bist du dahintergekommen, dass ich Türke bin?“
Als noch zwei komisch frisierte Gestalten dazukommen, fangen alle zusammen laut an zu schreien:
„Deutschland den Deutschen, Türken raus aus Bahnhof!“
„Jungs, euren Frust wegen eurer Glatzen müsst ihr schon woanders raus lassen. Versucht mal euren Kopf mit Brennesseltee zu waschen. Das hilft gegen Haarausfall.“
Mir dämmert inzwischen, wer diese Holzköpfe sind. Das sind diese Typen, die, wenn sie zehn Mann sind, eine ausländische Frau, und wenn sie zwanzig Mann sind, einen ausländischen Mann angreifen und zusammenschlagen.
Ich springe in meinen Wagen und verriegele die Tür von innen. Gerade noch rechtzeitig habe ich es geschafft: drei Glatzköpfe vor zwanzig! Das Licht meiner Scheinwerfer wird von den Glatzen reflektiert und blendet mich. 17 Reflektoren stehen um mein Auto. Mit ihren Holzknüppeln klopfen sie auf Motorhaube und Dach herum. Ein Skin beugt sich nach vorne und bricht meine Scheibenwischer ab!
„Komm, Osman, fahr ihn platt, das Schwein“ sagt eine wütende stimme in mir.
„Nein, Osman, nein! Sind denn ein Paar Scheibenwischer wertvoller als ein Menschenleben?“ beschwichtigt da eine andere innere Stimme.
Der böse Osman in mir flucht:
„Weißt du eigentlich, wieviel Stunden man für neue Scheibenwischer arbeiten muss?“
Der liebe Osman versucht ihn zu beruhigen:
„Was soll´s, seine Mutter hat schließlich neun Monate an ihm gearbeitet.“
„Glaub ich nicht. Der Kerl ist bestimmt ein Retortenbaby mit Genmanipulation.“
„Also wegen ein Paar Scheibenwischern werden wir nicht mal eine Coladose totfahren. Geschweige denn ein Geschöpf Allahs.“
„Da hat Allah aber Mist gebaut“, mische ich mich in das Gespräch ein.
„Halt du dich da raus, dich hat keiner gefragt“, schreit der böse Osman mich an.
Die Glatzköpfe sind sauer, dass sie an unserem geistreichen Gespräch nicht teilnehmen dürfen, und demolieren deswegen alle zusammen mein Auto.
Der böse Osman kreischt:
„Osman, fahr endlich los, mach ihn platt, das Schwein.“
Die gute Stimme sagt:
„Aber das sind doch arme Menschen! Daran ist nur die Arbeitslosigkeit schuld. Als es noch genug Arbeit gab, hatten diese Burschen alle lange Haare. In Deutschland Skin zu sein ist doch ein schweres Los. Bei der Kälte frieren die sich nicht nur den Arsch, sondern auch noch den Kopf ab.“
Der böse Osman zischt:
„Wo ist da der Unterschied, kommt bei denen doch sowieso beides auf das gleiche heraus.“
Als die Windschutzscheibe völlig zertrümmert ist, sehe ich ein, dass ich endlich Gas geben muss. Ich halte die Kupplung und lasse den Motor aufheulen. Ich kneife die Augen zusammen und lasse die Kupplung los. Die Nazis mit den Glatzköpfen fliegen an mir vorbei wie glänzende Sternschnuppen. Jetzt habe ich 17 Wünsche frei…

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Ausländer-Mitbenutzungszentrale

„Hier, Herr Engin. Ich habe wieder echte türkische Köfte gebraten, probieren Sie mal“, ruft Oma Fischkopf .
„Vielen Dank, Frau Fischkopf, wir haben gerade gefrühstückt.“
„Aber Herr Engin, Millionen von Ausländern sterben vor Hunger in Afrika, und Sie wollen nichts essen.“
„Frau Fischkopf, ich lebe seit 30 Jahren in Deutschland und nicht in Afrika. Und die meisten Afrikaner in Afrika sind dort keine Ausländer.“
„Herr Engin, tun Sie mir doch den Gefallen. Ich kenne sonst keine Ausländer“, sagt sie und stopft meiner Tochter die Frikadellen in den Mund.
„Iiiiiii!! Pappi, Pappi, ich kriege diese ekelhaften Dinger nicht runter“, schreit Hatice auf türkisch.
„Hatice, mein Kind, sei tapfer! Die Situation ist von nationaler Bedeutung. Du darfst das Mitleid der Deutschen nicht enttäuschen. Iß es um Himmels willen, iß es.“
Hatice macht dicke Augen und würgt zwei Frikadellen runter.
„Herr Engin, von heute an wird Ihr Kind jeden Tag etwas von mir zu essen bekommen.“
„Papa, Papa, laß uns sofort hier ausziehen. Ich werde auch immer artig sein“, bettelt Hatice mit grünem Gesicht.
„Aber, Herr Engin, Sie wollen doch sicher irgendwann sowieso in Ihre Heimat zurück, oder?“
„Mein Sohn Mehmet ist der einzige, der wieder zurück in seine Heimat will.“
„Und, wird die Familie ihm folgen?“
„Nein, unsere Wohnung wird nicht frei! Mein Sohn ist alt genug; wenn er unbedingt weg will, dann kann er auch alleine in Hamburg wohnen.“
„Wieso Hamburg?“
„Weil Mehmet in Hamburg geboren wurde, will er unbedingt dorthin zurück. Er sagt, Bremen sei ein Dorf dagegen.“
„Herr Engin, Herr Engin“, ruft unser Nachbar Nöllemeier, „passen die Kleider für Ihre Kinder, die ich mitgebracht habe?“
„Keine Ahnung, was für Kleider, Herr Nöllemeier?“ frage ich.
„Papa, er meint den Müll, den er letzte Woche bei uns abgeladen hat. Die habe ich schon zum Flohmarkt gebracht“, flüstert Hatice.
„Herr Engin, wenn wir schon einen Ausländer in unserer Straße haben, warum soll ich die alten Sachen nach Rußland schicken!“
„Danke, Herr Nöllemeier, meine Tochter meint, sie hat diese schönen Kleider für ihren Geburtstag aufgehoben, und sie fragt, ob sie zum Dank Ihre Hände küssen darf.“
Meine Frau flüstert:
„Osman, Hatice fragt, ob sie dich nachher umbringen darf?“
Herr Nöllemeier schwärmt:
„Diese Sorte von Ausländern habe ich besonders gerne: Die Dankbaren. Als mein Schwager Hubert letztens seinem Ausländer Kleider schenken wollte, `Behalt deinen Scheiß doch selber´, soll er gesagt haben.“
„Ausweisen sollte man die Bande, wenn sie nicht mal als Ausländer taugen!“ schimpft Oma Fischkopf.
„Osman, wenn die beiden noch einen Ton sagen, haue ich denen persönlich eins auf den Kopf“, ruft meine Frau wütend.
„Papa, mit dir gehe ich nie wieder auf die Straße! Erst muss ich zwei scheußliche Frikadellen essen und dann irgendwelchen alten Säcken die Hände küssen,“ schimpft Hatice.
Ich schüttele entsetzt den Kopf:
„Bei Allah, diese Ausländer sind so was von undankbar!“

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